Die Treffen sind wie „Aufladen meiner Batterie“
Die Diagnose Krebs ist für fast alle Patienten ein Schock, der das gesamte
Leben verändert. Nicht selten erfordert der Kampf um die Gesundheit ein
Höchstmaß an Kraft, Geduld und Zuversicht. Die Aufrechterhaltung der
gewohnten Lebensstrukturen mit den alltäglichen Anforderungen ist meist
nicht mehr möglich und auch nicht sinnvoll. Viele Menschen möchten diese
schwere Zeit ohne fremde Hilfe bewältigen. Doch die Betroffenen und auch
die Angehörigen, die helfen möchten, aber überfordert sind, laufen sehr
schnell Gefahr, an bzw. über ihre Grenzen zu gelangen. All zu oft ist eine
rein medizinische Behandlung bei Krebserkrankungen nicht ausreichend.
Freunde und Familie versuchen, sich vorzustellen, was in dem erkrankten
Menschen vorgeht, doch nur selbst Betroffene verstehen die Ängste und
Sorgen, denn sie empfinden das gleiche.
Jeder hat einen anderen Weg – doch irgendwo war er ähnlich - , und suchte
Unterstützung. Die Nachfrage in der onkologischen Praxis Dr. Kalhori/Dr.
Nusch war so groß, dass man Möglichkeiten für eine psychische Unterstützung
suchte und auch fand. Ganz gleich in welcher Situation jeder Einzelne ist –
Chemo, Bestrahlung, aber nach Abschluss dieser Behandlung – braucht man einen
Raum, um über die vielfältigen Ängste zu sprechen. Die Probleme sind bei allen ähnlich, vielleicht nicht immer gleichzeitig. So wurden von der Praxis
Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, und es entstand ein
psychoonkologisches Gruppenangebot. Dies wird psycho-sozial begleitet
durch die Musik-/Sozialtherapeutin Frau Iris Valentin aus der Praxis
„Tinn-a-Ré“ in Wuppertal. Musik als therapeutisches Medium trägt auf
besondere Weise dazu bei, die geschwächte bio-psycho-soziale Befindlichkeit
zu stabilisieren. „Dem Ruhelosen gibt die Musik Frieden und den Weinenden
tröstet sie. Die, die nicht mehr weiter wissen, finden neue Wege, und denen
die alles ablehnen, erwächst neue Sicherheit und Hoffnung.“ Unter kompetenter
Leitung und aus Erfahrungen Betroffener lernt jeder, mit seinen Ängsten, die
Kopf gesteuert sind, besser umzugehen. Dort kann man auch etwas annehmen und
fühlt sich verstanden.
Mittlerweile sind 2 Jahre vergangen und aus dieser Gruppe bildete sich eine Gemeinschaft , die sich weiterhin 1 x wöchentlich trifft, sich austauscht und seelisch unterstützt, sodass eine gewisse Ruhe und Beständigkeit ins Leben der Betroffenen einkehrt. Diese Gemeinschaft gründete im September 2004 eine Selbsthilfegruppe, die bemüht ist, diese wichtige Angebot nach Außen zu tragen und die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. Nachdem mehrere Zeitungsartikel erschienen waren, entstand eine starke Resonanz die das Bedürfnis nach so einem beständigen Angebot bestätigt. Im Oktober 2004 nahm die Gruppe an einem „Tag der Offenen Tür“ in Mettmann teil und stellte ihre Arbeit vor. Solche Veranstaltungen sind für das Jahr 2005 geplant. Die regelmäßige Teilnehmerzahl läuft auf 20 wobei sowohl Betroffene als auch Angehörige dabei sind.
Es ist eine sehr große Hilfe und seelische Befreiung, über die Ängste, Probleme und Tabu-Themen sprechen zu können. Es trägt zu der Stabilisierung die psycho-soziale Befindlichkeit Ruhe zu finden und jedes Mal Kraft zu tanken um wieder eine Woche durchzustehen bei. Die Teilnehmer dieser Gruppe geben sich gegenseitig Hilfestellung und Ratschläge, auch im Umgang mit Ämtern und Behörden, damit die Lebensqualität, trotz Erkrankung sich verbessern kann bzw. erhalten bleibt (fast jeder hat mittlerweile seine Erfahrungen mit Ämtern und Behörden gemacht und kann dieses Wissen weitergeben).
Die psychoonkologische Selbsthilfegruppe bietet Raum, um sich selbst zu
begegnen und Zeit, um die natürlichen Regenerationskräfte im seelisch-geistigen Bereich zu reaktivieren. Hier finden Betroffene neben Erfahrungsaustausch und Informationsangebot auch eine Ebene der Ansprache auf emotionaler Ebene. Die
Treffen bieten die Gelegenheit der Aussprache im geschützten Raum. Es gibt
kein Tabu-Thema. Sie werden enttabuisiert, so dass Bedrückendes ausgedrückt
und dadurch verarbeitet werden kann. Es werden neue Sichtweisen und
Perspektiven erarbeitet und Lösungen zur Lebensbewältigung gefunden. Ohne
sich durch viele Worte erklären zu müssen, herrscht tiefes Verständnis
innerhalb der Gruppe. Ein besonderes Verhältnis von Nähe und Distanz sichert
die schützende Abgrenzung eines jeden Einzelnen. Die Treffen im
wöchentlichen Abstand dienen als sichere Konstante im Alltag, um zu sich zu
kommen, Ruhe zu finden, Perspektiven zu sehen und Kraft zu tanken. „Für mich
sind unsere Treffen wie ein wöchentliches „Aufladen meiner Batterie“.
Denn jeder Tag, der bewusst erlebt wird, ist wieder ein gewonnener Tag.
Psychoonkologische Selbsthilfegruppe Velbert
i.A. Monika Rüther und Roswitha Kramme